Dr. Marcus

Dr. Marcus und sein Kampf gegen die Seuchen

Dr. Marcus lebte in einer Zeit, in der es noch keine Impfung gegen Krankheiten wie Kinderlähmung, Typhus und Keuchhusten gab. Vorsorge und Behandlung dieser Seuchen, die insbesondere viele Kinder das Leben kosteten, gehörten daher zu den wichtigsten Aufgaben eines Arztes. Dr. Marcus war hier nicht nur behandelnd tätig, sondern verfasste selbst wissenschaftliche Bücher, in denen er den Forschungsstand zu Übertragung, Diagnose, Symptomatik und Behandlung zusammentrug.

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sterben Schätzungen zufolge noch bis zu zehn Prozent aller Kleinkinder an den Pocken. Nach Überwindung der Pest-Epidemien in der Frühneuzeit sind die Pocken die gefährlichste Seuche der Neuzeit. Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit Jenners „Pockenschutzimpfung“ ein erster Impfstoff entwickelt, der den Anfang vom Ende der Pockenplage bedeutete. Viele Menschen standen dieser neuen Methode der Seuchenbekämpfung am Anfang sehr skeptisch gegenüber. So gab es eigene Vereine von „Impfzwanggegnern“ mit eigenen Publikationsorganen, die vor „Impfschäden“ warnten und sich gegen die Impfpflicht stark machten. Dr. Marcus gehörte zu denjenigen, die ganz früh die Bedeutung dieser Impfung erkannten und sich auch politisch dafür einsetzten – und das, obwohl sehr viele zeitgenössische Ärzte diese neue Methode ablehnten. Die Impfpflicht gegen die Pocken, die 1807 in Bayern eingeführt wurde, ist u.a. auf Dr. Marcus‘ Engagement zurückzuführen.

Obwohl Dr. Marcus zum Christentum konvertiert ist, können wir uns vorstellen, dass er aufgrund seiner Erziehung wusste, welche Empfehlungen die jüdischen rabbinschen Schriften im Falle von Seuchen geben. So empfahl Marcus als Mittel der Vorbeugung gegen Keuchhusten, die Stadt zu verlassen, wenn erste Fälle auftreten – eine Möglichkeit, die bereits im Talmud ausführlich diskutiert und auch erlaubt wird. Auch seine deutliche Befürwortung der Impfung lässt sich aus diesem Hintergrund erklären: 


Quarantäne, Impfung und das Judentum 

Seuchen waren seit biblischen Zeiten neben Kriegen und Hunger eine der größten Gefahren. Kein Wunder, dass sich die rabbinischen Schriften seit der Antike mit dem richtigen Umgang mit Seuchen auseinandersetzen. Lange bevor die Existenz von Viren und Bakterien bekannt waren und bevor an wusste, wie die Mensch-zu-Mensch-Übertragung von Krankheiten genau funktioniert, gaben die Rabbiner und die Weisen Empfehlungen, wie man sich vor Erkrankung schützen soll: Neben Gebeten und Fasten, um Gottes Gnade zu erbitten, werden sehr nützliche praktische Empfehlungen gegeben.

Eine bekannte Stelle im Talmud empfiehlt, Quarantäne zu halten: 



Die Weisen haben gelehrt: Wenn in der Stadt eine Seuche ist, dann halte Deine Füße zusammen, d.h. verbringe so wenig Zeit wie möglich außerhalb des Hauses, denn es heißt “Keiner von Euch verlasse das Haus vor dem Morgen.” Und in einem anderen Vers heißt es “Geh hin, mein Volk, in deine Kammer und schließ die Tür hinter dir zu! Verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe.” (Jesaja 26,20) Und es heißt: „Auf der Straße raubt das Schwert und in den Zimmern der Schrecken den jungen Mann und das Mädchen, den Säugling samt dem Greis.” (5. Buch Moses, 32, 25)


(Bava Kamma 60b)


ת"ר דבר בעיר כנס רגליך שנאמר ואתם לא תצאו איש מפתח ביתו עד בקר ואומר (ישעיהו כו, כ) לך עמי בא בחדריך וסגור דלתיך בעדך ואומר (דברים לב, כה) מחוץ תשכל חרב ומחדרים אימה מאי ואומר וכי תימא ה"מ בליליא אבל ביממא לא תא שמע לך עמי בא בחדריך וסגור דלתיך וכי תימא ה"מ [היכא] דליכא אימה מגואי אבל היכא דאיכא אימה מגואי כי נפיק יתיב ביני אינשי בצוותא בעלמא טפי מעלי ת"ש מחוץ תשכל חרב ומחדרים אימה אע"ג דמחדרים אימה מחוץ תשכל חרב רבא בעידן רתחא הוי סכר כוי דכתי' (ירמיהו ט, כ) כי עלה מות בחלונינו ת"ר רעב בעיר פזר רגליך שנא' (בראשית יב, י) ויהי רעב בארץ וירד אברם מצרימה [לגור] (ויגר) שם ואומר (מלכים ב ז…


בבא קמא ס ב



Seit Impfungen für verschiedene Krankheiten verfügbar sind, werden sie in der Literatur der Rabbiner und der jüdischen Weisen diskutiert. Zu der Zeit, als die erste Pockenschutzimpfung verfügbar wurde und Dr. Adalbert Marcus praktizierte, sprachen sich die Rabbiner bereits für die Impfung aus. Dabei wurde v.a. mit der schon in der Bibel formulierten Verpflichtung des Menschen, sein eigenes Leben zu schützen begründet (5. Buch Moses 4,9: „Hüte dich nur und bewahre deine Seele wohl“). Die Rettung des Lebens („Pikuach Nefesh“) ist eines der höchsten Gebote, für die auch andere Gebote, wie das Halten des Shabbat oder der Speisegesetze gebrochen werden dürfen. Deshalb sind auch die Corona-Impfungen erlaubt und sogar empfohlen, weil sie das Leben schützen – obwohl der Impfstoff nicht koscher ist. 

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