Gottfried Merzbacher

Gottfried Merzbacher

Der Pelzhändler in zweiter Generation, Gottfried Merzbacher, liebte den alpinen Sport und verband Handel mit Reisen. Der jüdische Bergsteiger verdiente sich Respekt unter seinen nicht-jüdischen deutschen Sportkollegen. Nach und nach interessierte er sich immer weniger für das Vermächtnis seines Vaters. Er organisierte seine erste wissenschaftliche Forschungsexpedition in den Kaukasus auf eigene Kosten. In den kaukasischen Bergen fertigte er detaillierte Skizzen der Gegend an, maß Höhen und Entfernungen. Bereits in den Alpen lernte Gottfried Merzbacher die Kunst des Fotografierens kennen und nutzte nun häufig dieses Mittel zur Geländevermessung. Schließlich wurde das einzigartige Material dreieinhalb Jahre später nach München gebracht.


Die Auswertung dauerte mehrere Jahre. Dabei setzte sich die poetische Seele des Autors oft gegen den kalten Geist eines Wissenschaftlers durch. Ist das nicht der Grund, warum er, als 1901 zwei Bände seines Werkes "Aus den Hochregionen des Kaukasus" in Leipzig erschienen, sagte: "Niemand wird mir Anerkennung zollen, denn die Reiselust hat die wissenschaftliche Darlegung beeinträchtigt." Auch an Selbstkritik mangelte es ihm nicht!

Er kam in die Berge von Tian Shan. Es waren die ersten Versuche des Forschungsalpinismus. Im Zelt, gespannt über die im Fels befestigten Heringe, legt er Filme in sein Fotoapparat ein, überprüft die Höhenmessungen, bereitet die Route vor. Mit Selbstironie schreibt er in sein Tagebuch:  „Die Lebensführung eines reichen Mannes, der sein Vermögen für die Forschungsreise aufgebraucht hat, ist äußerst bescheiden. Gekochtes Lammfleisch, Suppe, Brot und Tee waren die einzigen Annehmlichkeiten während unserer siebenmonatigen Gefangenschaft in Höhen zwischen 3.500 und 5.600 Höhenmetern." 

Am 15. Dezember 1904 versammelte sich die Geographische Gesellschaft Bayerns zu einer Festsitzung. Gottfried Merzbacher wurde eine große Medaille mit dem Bildnis des Schirmherrn der Geographischen Gesellschaft, des späteren Königs Ludwig des Dritten, überreicht. Und am nächsten Tag erschien in den "Neuesten Nachrichten" ein Artikel mit den Worten:

 "Die Stadt München kann stolz sein, dass einer ihrer Mitbürger ... so viel Wertvolles zur geographischen Wissenschaft beigetragen hat. Die Brust des Wissenschaftlers schmückt schon viele Jahre der russische Stanislaw-Orden zweiten Grades mit Stern, den er von der dankbaren russischen Regierung erhalten hat ...".

Anfang April 1907 landete ein Brief von Prinz Arnulf von Bayern auf dem Schreibtisch des russischen Gesandten, in dem er die russische Regierung über seinen Wunsch informierte, den Kaukasus und Turkestan zu besuchen und alle Informationen über die Reise geheim zu halten. Natürlich vertraute Prinz Arnulf die Organisation der Expedition Merzbacher an, der über jahrelange Erfahrung auf diesem Gebiet verfügte.


Prinz Arnulf und Gottfried Merzbacher wurden unermüdlich von russischen Agenten in Buchara und Samarkand und in den uigurischen Städten Kaschkar und Gulja begleitet. Der wahre Zweck dieser Expedition blieb jedoch für immer ein Rätsel. In München war man mit den Ergebnissen der Reise zufrieden. Und Merzbacher erhielt daraufhin den Titel des Ehrenprofessors.


Und so kommt es, dass Merzbacher in seiner riesigen, mit Büchern vollgestopften Wohnung in Bogenhausen Bilanz über sein Leben zieht. Er vermacht seine Sammlungen den Museen und seine opulente Büchersammlung, darunter rund 4.700 Fachbücher und Broschüren, der Bayerischen Staatsbibliothek. Er ist mit seinem geistigen und körperlichen Zustand nicht zufrieden: "Ich hatte es zu lange aufgeschoben... Und so kam es, dass mir die verbleibende Zeit und Energie fehlt, um die Ergebnisse meiner Forschung zu verarbeiten ...".

An seiner Beerdigung nahmen fast alle hohen Würdenträger Münchens teil. Zwei Jahre nach Gottfried Merzbachers Tod wurde eine Straße der bayerischen Hauptstadt nach ihm benannt, und fünf Jahre später - ein See und ein Gipfel im Tian Shan.


Unsere Referenz

Gottfried Merzbacher (* 9. Dezember 1843 in Baiersdorf; † 14. April 1926 in München) war ein deutscher Geograph, Alpinist und Forschungsreisender. 1901 erhielt er von der Universität München den Ehrendoktortitel, 1902 wurde er zum zweiten Vorsitzenden der Münchner Geographischen Gesellschaft gewählt, im Jahr 1905 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden und 1907 wurde er zum Prof. h. c. ernannt. 1902/03 bereiste Merzbacher auf der Suche nach dem legendären Berg Khan Tengri den Tian Shan in Zentralasien. Er entdeckte den heute als Merzbacher-See bekannten Eisstausee am Inyltschek-Gletscher. 

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