Rahmil Vainberg

Der Weg zur Integration durch die Alpentrails –Rahmil Vainberg

Am 20. Oktober 1999 versammelten sich im Saal des Vereins GOROD Wanderer, Bergsteiger und Orientierungsläufer verschiedener Nationalitäten, die aus den ehemaligen Sowjetrepubliken nach Bayern gekommen waren. Sie alle einte die russische Sprache sowie die Liebe zu den Bergen und zum Wandern. Aber noch etwas war ihnen sehr wichtig: Sie wollten nicht nur Teil des bayerischen Lebens werden, sondern auch ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus der alten Heimat weitergeben. 

Rahmil Vainberg, ein jüdischer Sportmeister im Bergwandern aus Moldawien, wurde einstimmig zum Clubleiter gewählt. Weinberg verstand, dass das Durchschnittsalter der Clubwanderer, die nach Deutschland kamen, sehr hoch ist, so dass die Rede von neuen sportlichen Leistungen kaum möglich ist. So sollte das Hobby Wandern und Bergsteigen mit der Geschichte dieses Landes verbunden sein.


Den ersten Anstoß gab die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Charlotte Knobloch bei der Enthüllung eines Denkmals für jüdische Bergsteiger beim Deutschen Alpenverein in München. Knobloch stellte den Namen der jungen jüdischen Bergsteigerin Elisabeth Block vor, die im Holocaust starb und ein interessantes Tagebuch hinterließ.


Rahmil Vainberg war von dem Projekt "Bayerische Anne Frank" begeistert. Er muss sich an Episoden aus seiner frühen Kindheit erinnert haben, als er als 8-jähriger Junge mit seiner Mutter, seinem Vater, zwei 8 Monate alten Zwillingsschwestern und seiner Großmutter auf einem von einem Pferdegespann gezogenen Karren Chisinau verließ, um vor den vorrückenden deutschen Truppen zu fliehen. Es war der heiße Juli 1941. Die Sonne brannte, und das damals übliche Transportmittel trat die 1.000 km lange Reise in das Hinterland der UdSSR an.


Erst jetzt verstand er, dass gerade zu diesem Zeitpunkt Elisabeth Blocks Familie ein Visum für Argentinien verweigert worden war und dass sie alle in ein Konzentrationslager, also in den sicheren Tod, geschickt werden sollten. Er wünschte sich, er könnte die Zeit zurückdrehen, Elisabeth Block neben sich und seine Schwestern auf den Karren setzen und sie vor den Nazis wegbringen. Unterwegs ließe er sie ihr Tagebuch beenden, was es nicht weniger interessant machen würde.


Elisabeth hätte dem kleinen Rahmil erzählt, wie sie den Gipfel der Kampenwand (1669 m) erreicht hat. Jahre später würde sie zusammen mit dem erwachsenen Rahmil die Gipfel des Kaukasus und des Altai bezwingen, die Rahmil selbst bestiegen hat....


Über den deutschen Reiseforscher jüdischer Herkunft Gottfried Merzbacher wussten die Bergsteiger des Vereinsclubs nicht nur vom Hörensagen, schließlich waren sie nicht nur einmal auf seinen Routen im Kaukasus und im Tian Shan unterwegs, sahen den von ihm 1903 entdeckten und nach ihm benannten Gletschersee. Außerdem war Merzbacher, wie sich herausstellte, kein Fremder mehr für sie: Er lebte in München und schritt über dieselben Straßen, über die sie jetzt gehen. So entstand die internationale Konferenz "Gottfried Merzbachers Wege".

Die symbolische Hand, die Weinberg und seine Kameraden durch die Zeit reichen, verbindet nicht nur die Vergangenheit mit der Gegenwart, sondern korrigiert auch die Fehler dieser Vergangenheit. Auf diese Weise wurden 12 deutsche Bergsteiger des Münchner Vereins "Freunde von Natur und Technik" und des Sächsischen Kletterverbandes dem Vergessen entrissen.Im Sommer 1932 waren diese "roten Bergsteiger" auf Einladung der Gesellschaft für proletarischen Tourismus der UdSSR in den Bergen des Zentralkaukasus. Weinberg und seine Freunde stellten die Gerechtigkeit wieder her: Die 16 Gipfel, die in der russischen Klassifikation als von sowjetischen Bergsteigern erstmalig erklommen galten, waren in Wirklichkeit Erstbesteigungen der deutschen Alpinisten. 

Heute ist Rahmil Vainberg Ehrenvorsitzender des Wanderclubs im Verein GOROD. Er hat immer noch Großes vor. Es warten also neue Entdeckungen auf die Bürger Bayerns.


Unsere Referenz

Rahmil Vainberg wurde 1932 in Odessa geboren, 1956 absolvierte er das Medizinische Institut in Chisinau als Arzt-Hygieniker und arbeitete mehr als 40 Jahre lang im medizinisch-sanitären Dienst der Eisenbahnen der Republik Moldau. Er leitete die Föderation für Sporttourismus der Republik Moldau. Im Jahr 1998 wanderte er mit seiner Familie nach Deutschland aus.


© - Viktor Fishman

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