Simon Oberdorfer

Der Fahrradpionier Simon Oberdorfer

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war Regensburg eine ziemliche Provinzstadt, so dass jede Neuerung für die Bürger ein frischer Wind war. Damals kamen Fahrräder in Mode und das Fahren damit galt als der letzte Schrei. Der gebürtige Regensburger Simon Oberdorfer eröffnete eine Fahrradschule und Fahrradwerkstatt. Später erweiterte er sein Geschäft durch die Gründung einer Fahrschule. Dennoch waren Fahrräder seine Hauptberufung. Er war selbst ein geschickter Radfahrer und organisierte 1891 den ersten Fahrradverein in der Oberpfalz, den Wanderer-Radler-Verein. 

Der neunte Kongress des Bayerischen Radfahrer-Bundes im Jahr 1894 war ein Höhepunkt im Leben der Stadt Regensburg. Vorausgegangen war ein bemerkenswertes Gespräch zwischen Simon Oberdorfer und dem Chef des lokalen Anzeigenblattes. Natürlich gibt es keine Aufzeichung von dem Gespräch, aber Archivdokumente legen nahe, dass es genau so gewesen sein könnte.

"Bitte schreiben Sie meine Anzeige in fetten schwarzen Buchstaben auf gelbem Hintergrund", bat Oberdorfer den Anzeigenchef.

"Fahrstunden sowie spezielle Einzelkurse sind jederzeit möglich", las der Verleger den Anfang der Anzeige vor und sagte dann: "Glauben Sie, dass Ihre Anzeige die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen wird, auch wenn ich sie in riesigen Lettern schreibe?"

„Haben Sie denn noch nicht bemerkt, dass Fahrräder immer mehr in Mode kommen?“, entgegnete Oberdorfer. "Und die Industrie reagiert darauf mit einer deutlichen Preissenkung: 1890 kosten Fahrräder mit niedrigen Pedalen zwischen 230 und 320 Mark, heute, vier Jahre später, 200-285 Mark!"

"Das mag in München so sein, aber in unserem Kaff…“

Oberdorfer fällt ihm ins Wort: 

"In unserer Provinzstadt fahren jetzt fast alle Boten Fahrrad! Machen wir einen Deal: Sie machen schöne Werbung für meine Fahrradwerkstatt, und ich lade Sie zur Eröffnungsfeier des Fahrradkongresses ein."


Simon Oberdorfer bekam seine Anzeige (s. Anlage), aber der Anzeigenchef kam auch auf seine Kosten: Er sah einen Korso von Radfahrern aus 30 Vereinen und Simon Oberdorfer selbst belegte den ersten Platz beim Kunstradfahren unter 100 Teilnehmern.

Als Sportler und Unternehmer wusste Simon Oberdorfer, wie man groß denkt: Da es in der Stadt keine Hallen für große Sportveranstaltungen gab, musste eine gebaut werden. 

Oberdorfer beauftragte den jungen Architekten Joseph Koch mit dem Entwurf des Gebäudes auf dem Grundstück Arnulfsplatz 195b. Die Eröffnung des Velodroms wurde am 1. und 2. Oktober 1898 zwei Tage lang gefeiert. Es war ein innovativer Bau mit einem kugelförmigen Dach und Balkonen, die von korinthischen Säulen getragen wurden, und mit einer Halle von 25 x 35 Metern (s. Anlage).

1929 baute Oberdorfer sein Velodrom in das "Capitol-Kino" um, das bis 1974 bestand. Später wurde dieses Bauwerk Teil des Regensburger Schauspielhauses. Aber das Leben seines Schöpfers endete viel früher. Aufgrund der Rassengesetze musste Simon Oberdorfers Familie 1939 aus der Heimatstadt fliehen. Er hatte sich in Hamburg Visa für Kuba besorgt und stach am 13. Mai 1939 mit seiner Frau Hedwig und seinem Schwager Julius Springer zusammen mit 906 anderen deutschen Juden auf dem Dampfer St. Louis von Hamburg nach Havanna in See. 

Die Visa erwiesen sich als falsch und weder die kubanischen noch die US-Behörden erlaubten den Passagieren der St. Louis, von Bord zu gehen. Das Schiff kehrte in das von den Nazis besetzte Europa zurück. Simon Oberdorfer wurde am 30. Mai 1943 im KZ Sobibor ermordet. 

Oberdorfer kehrte lediglich in Form einer Gedenktafel am Theatergebäude in seine Heimatstadt zurück. Am Sonntag, den 15. Oktober 2017, erhielt der Platz vor dem Velodrom in Regensburg einen neuen Namen: Er wurde nach dem jüdischen Sportler und Unternehmer Simon Oberdorfer in Simon-Oberdorfer-Platz umbenannt.

Unsere Quelle

Simon Oberdorfer (* 9. März 1872 in Regensburg; † 30. April 1943 in Sobibor) war ein Regensburger jüdischer Kaufmann (Fahrrad- und Autohändler), der von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Oberdorfer war als Kunstradfahrer der Erbauer und Impresario des Regensburger «Velodroms», das zunächst als Radsporthalle, später als Veranstaltungszentrum genutzt wurde. Am Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Halle als Kino genutzt.


© — Viktor Fishman

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